Nein sagen lernen



Wird man um etwas gebeten, haben die meisten Menschen Probleme damit, dies abzulehnen. Doch besonders Schüchterne leiden darunter, dass sie nur schwer „Nein“ sagen können. Doch gerade Bitten, denen wir nur widerwillig nachgehen wollen, machen uns auf Dauer unzufrieden und führen zu einer verminderten Selbstachtung. Daher ist es wichtig, Grenzen zu setzen. In diesem Beitrag lernst du, warum es wichtig ist, Nein zu sagen. Und das auf eine freundliche Art und Weise!



Tipp 1: Nimm dir Zeit, bevor du dich entscheidest

Sobald jemand mit einer Bitte auf uns zukommt, fühlen sich besonders Schüchterne überfordert und willigen gleich ein. Das ist aber das Problem. Ohne großartig über die Folgen für uns nachzudenken, sagen wir dazu „Ja“. Es ist wie ein Reflex, den wir nur schwer unter Kontrolle haben. Wenn wir uns aber bewusst machen, dass wir generell viel zu schnell zusagen und im entscheidenen Moment innerlich „Stopp!“ sagen, hilfst uns das schon viel weiter. Das muss man einfach trainieren. Versuche dem Reiz nicht zu folgen, sofort „Ja“ zu sagen, sondern mach eine Pause. Geh in dich und teile dem Bittenden mit, dass du darüber noch einmal nachdenken kannst. „Das muss ich mir noch einmal durch den Kopf gehen lassen.“ „Kann ich mir das noch einmal bitte überlegen?“ 


Tipp 2: Finde heraus, warum es dir schwer fällt Nein zu sagen

Es gibt viele Gründe, warum wir einfach nicht ablehnen können. Meisten liegen mehrere Gründe gleichzeitig vor und es ist sinnvoll, sich mit diesen intensiv auseinander zusetzen.  

Wir haben meist Angst, dass wir von anderen nicht mehr gemocht und geschätzt werden, weil wir ihnen eine Bitte ausschlagen. Wir sehnen uns nach Anerkennung und wollen es den anderen Recht machen. Die Bitte eines anderen abzulehnen, wird meist nicht positiv aufgenommen, so viel steht fest. Und doch ist es auch einmal erforderlich. Man hat aber Angst, sofort die Sympathie und Wertschätzung des anderen zu verlieren, was so nicht richtig ist. 

Nur, weil man einmal die Bitte abschlägt, bedeutet das noch lange nicht das Ende einer Freundschaft! Denn eine wahre Freundschaft übersteht auch so etwas. Solange man nichts immerzu Bitten ablehnt, sollte das auch okay sein. Außerdem macht eine wirkliche Freundschaft doch mehr aus, als die Bitten von jemanden zu erfüllen nicht wahr? Schließlich handelt es sich nicht um eine Zweckgemeinschaft, in der der andere unbedingt alles tun muss, was von ihm verlangt wird. 

Ich kenne es auch von mir selbst, dass ich an einem Helfer-Syndrom leide. Das bedeutet, dass ich gerne von anderen gebraucht werde und gerne anderen helfe. Meist mit dem Gedanken, dass ich für den anderen als wichtig gelte und ihm damit einen Gefallen tue. Das ist an sich gut, aber wenn das ausartet, kann es sehr leicht dazu führen, dass man sich von anderen abhängig macht und sogar ausgenutzt wird.

Oftmals steckt auch dahinter die Angst, egoistisch zu wirken. Man möchte dem anderen nicht helfen, weil man eigene Bedürfnisse, Wünsche, Vorhaben und Ziele hat, die dann wichtiger sind. Man hat in der Kindheit gelernt, dass man generell auf die Bitten anderer eingehen sollte. Man hat bestimmte Erwartungen zu erfüllen und sollte andere nicht enttäuschen. Es stimmt zwar, dass wir gewisse sozialen Rollen übernehmen, aber das bedeutet nicht, dass wir alle Bitten annehmen sollten. Hier gilt es genau abzuwägen. Genauso sind Erwartungen nicht unbedingt Verpflichtungen. Wir sind nicht verpflichtet, immer das zu tun, was andere von uns wollen. Wir können dem entgegen kommen, müssen es aber grundsätzlich nicht.

Manche fühlen sich auch verantwortlich und können deswegen nicht ablehnen. Hier gilt es, genau zu überdenken, inwiefern wir wirklich Verantwortung tragen. Man kann nicht ständig alle Aufgaben auf sich nehmen. Man sollte auch darauf vertrauen, dass der andere es schafft. Hilfe zur Selbsthilfe geben.  

Außerdem empfinden wir Schuldgefühle, nachdem wir „Nein“ gesagt haben. Auch das ist mit dem Verantwortungsgefühl verbunden. Wir fühlen uns schuldig, weil wir dem anderen hätten helfen sollen. Wir haben den anderen verletzt und enttäuscht.

Meist sagen wir auch „Ja“, weil wir Angst vor den Folgen haben, die auf uns zukommen. Wir überlegen uns, was passiert, wenn wir dem anderen nicht helfen. „Was ist, wenn ich mal Hilfe brauche und mir der andere dann nicht hilft?“ Dann ist es besser, der Bitte nachzukommen für spätere Notsituationen. Vielleicht fühlen wir uns unter Druck gesetzt und bedrängt. Wir wollen auch keinen Ärger mit der Person haben oder Stress. Wie man sieht stecken auch die schon genannten Gründe hinter dieser Angst.

Wer „Ja“ sagt, möchte auf alle Fälle Harmonie wahren und sich mit anderen gut stellen. Man vermeidet dadurch Konflikte und Stress mit anderen Personen. Doch was man dabei vergisst ist, dass man selbst in einen Konflikt gerät, indem man zu sich selbst „Nein“ sagt und die anderen über einen selbst stellt.

Tipp 3: Mache dir bewusst, was auf dich zukommt, wenn du Ja sagst 

Gleichzeitig ist es gut, sich die negativen Folgen vom „Ja“-Sagen zu vergegenwärtigen. Es kostet Zeit und auch Mühen, um einer Bitte nachzukommen. Bist du bereit, diese Kosten auf dich zu nehmen? Es bedeutet auch Stress, weil du ja daneben noch genug andere Verpflichtungen und Aufgaben zu tragen hast. Kannst du das bewältigen oder würde dich das überfordern? 

Darüber hinaus wirst du mit Frust und Unzufriedenheit zu kämpfen haben, wenn du eigentlich keine Lust und Zeit dafür hast. Du wirst dir Vorwürfe machen, dass du mal wieder nachgegeben hast und bereust es. Damit erzeugst du in dir selbst einen Konflikt. Deine eigene Selbstachtung kann darunter leiden, weil du nicht zu dir selbst gestanden hast. Eigene Bedürfnisse, Wünsche und Ziele hast du ja dann nach hinten gestellt, weil der andere dir wichtiger erschien. Ist dir das wert? 

Wir denken, dass wir von anderen gemocht und anerkannt werden, wenn wir ihnen jede Bitte erfüllen. Doch schnell kann das umschlagen. Immer öfter werden wir um etwas gebeten, weil andere denken, dass sie es mit uns machen können. Sie denken auch, dass man sich nicht durchsetzen kann. Auf Dauer kann das leicht zum Ausnutzen führen. Mache dir bewusst, ob du das wirklich willst. Es kann auch nicht möglich sein, es immer allen Recht zu machen. Versuche es gar nicht, sondern bleibe dir selbst treu. Man machst sich von anderen abhängig, wenn man ständig „Ja“ und „Amen“ sagt. 


Tipp 4: Überlege dir, was du bekommst, wenn du Nein sagst

Zufriedener, in Einklang mit uns selbst, Respekt, Bedürfnisse werden befriedigt, Selbstwert steigt, wir werden nicht ausgenutzt, wir haben mehr Zeit und weniger Arbeit

Dann kannst du die Vorteile des Nein-Sagens den Nachteilen des Ja-Sagens gegenüber stellen. Zunächst einmal wird es dir unangenehm sein. Du wirst nicht denken, dass es irgendeinen Vorteil haben wird, denn die Angst vor Ablehnung ist zu groß. Konzentriere dich aber darauf, was für dich selbst an Vorteilen heraus kommt. Du setzt automatisch Grenzen und sagst „Bis hierher und nicht weiter!“ Du machst dir deine Bedürfnisse bewusst und wirst nicht zum Spielball der anderen. Du gewinnst dadurch automatisch an Respekt. Es ist eher ein Trugschluss, dass Leute gemocht werden, weil sie den anderen alles von den Lippen lesen. Solche Menschen werden eher belächelt, als wirklich gemocht. Menschen, die Grenzen setzen, sagen, was sie wollen und was nicht und nicht jeder Bitte nachkommen, werden eher anerkannt. 

Du bist mehr in Einklang mit dir selbst, weil du so handelst, wie es deinem wahren Wesen entspricht. Du bist zufriedener mit dir, weil du weniger Konflikte mit dir selbst hast. Deine eigenen Bedürfnisse werden eher befriedigt. Du nimmst dich wichtig genug, um es anderen zu zeigen. Dadurch steigt dein eigener Selbstwert und du fühlst dich einfach wohler. Außerdem wirst du dann nicht Zielscheibe von Leuten, die dich ausnutzen, weil sie wissen, dass du das nicht mit dir machen lässt. Ganz klare Vorteile sind auch, dass du dadurch mehr Zeit gewinnst und weniger Arbeit auf dich nimmst. Das bedeutet, dass du mehr Zeit für dich und deine Angelegenheiten hast. Weniger Stress und weniger Mühen.


Tipp 5: Erlaube dir Nein zu sagen, sei egoistisch!

Ich weiß, es fällt vielen schwer sich selbst zu sagen, dass es in Ordnung ist, eine Bitte abzuschlagen. Aber es ist einfach wichtig, wie ich in den vorherigen Abschnitten schon erklärt habe. Es ist vollkommen okay, wenn man egoistisch ist. Egoismus wird oftmals kritisch gesehen, es ist besser, wenn man auf andere achtet und auf sie eingeht. Das will ich auch nicht abstreiten. Aber es kann nicht sein, dass wir ständig nur nach der Pfeife der anderen tanzen und uns damit selbst Probleme machen und vernachlässigen. Wie so oft, ist der Mittelweg erstrebenswert. 

Auf alle Fälle solltest du dich selbst als wichtig erachten und dir deiner Werte bewusst sein. Was ist dir wichtig und was würdest du auf keinen Fall für andere tun? Kommt jemand und bittet dich um etwas, dann überlege dir, ob es dir das wert ist und ob es zu dir passt. Es ist auch okay, wenn du nicht zu allem „Ja“ sagst. Jeder Mensch ist egoistisch und das ist das gute Recht eines jeden. Wir sind nun mal unser Mittelpunkt im Leben, wir leben nur dieses eine Leben und sollten uns deswegen auch als wichtig ansehen. Natürlich soll es nicht in die andere Richtung umschlagen, sodass wir gar nicht mehr anderen helfen. Wir sollten so gut wie es geht, anderen helfen, aber nicht gleich sofort immer alles machen, was andere von uns verlangen.


Tipp 6: Lerne auf eine freundliche Art Nein zu sagen

Nicht nur das „Nein“-Sagen ist wichtig, sondern vor allem wie wir es sagen. Wenn wir es nett verpacken, wirkt es auch nicht mehr verletzend und wir können das Ganze harmonisch klären. Es ist oftmals besser ein „Nein“ zu begründen, anstatt es dem anderen einfach nackt hinzuwerfen. Für die meisten ist es auch ungewohnt, einfach nur „Nein“ zu sagen, ohne sich zu erklären. 

Ich halte es für besser, wenn man das Nein begründet, weil es dann auch für den anderen weniger verletzend und verständlicher wird. Gründe gibt es viele: Man hat vielleicht genug zu tun, man hat gerade keine Zeit oder man fühlt sich einfach nicht in der Lage, die Bitte zu erfüllen. 

Um den anderen doch nicht gänzlich zu enttäuschen kann man sich je nachdem überlegen, ob man Alternativen anbietet:
„Ich kann dir jetzt momentan nicht helfen, weil ich einfach keine Zeit habe. Aber falls nächste Woche gehen würde, da hätte ich etwas mehr Luft...“
„Bei dieser Sache bin ich nicht hilfreich, aber wie wäre es, wenn du dich an X wenden würdest?“

Man kann aber auch deutlich die Grenzen setzen und auf negative Folgen verweisen, die mit Erfüllung der Bitte auf einen zukommen:
„Ich habe momentan wirklich zu viel zu tun. Wenn ich jetzt noch das für dich tun würde, würde ich das alles nicht rechtzeitig schaffen...“
Das Ganze kann man dann noch etwas dramatisieren, damit der andere auch ein gewisses Verständnis dafür entwickelt.

Eine weitere Möglichkeit nett abzulehnen ist, dem anderen Verständnis für seine Probleme zu bringen, aber dann auf Selbsthilfe zu verweisen:
„Ich kann verstehen, dass du damit Probleme hast. Aber versuche doch erst einmal selbst und wenn es nicht mehr geht, kann ich dir helfen.“
Damit sagt man nicht direkt gleich „Nein“, aber gibt sich selbst und dem anderen Zeit, sein Problem selbst in die Hand zu nehmen. Eventuell klärt es sich dann, sodass man nichts mehr machen muss.

Bei allen genannten Möglichkeiten sollte man authentisch und echt bleiben! Also nicht versuchen, die eigene Entscheidung zu relativieren, indem man sagt: „Sei mir bitte nicht böse...“
oder „Tut mir echt leid, aber...“: Natürlich möchte man dadurch den anderen beschwichtigen und weniger verletzend sein, aber im Endeffekt schadet das unserer Souveränität. Außerdem bietet das dem anderen die Möglichkeit, einen doch irgendwie zu beeinflussen.


Tipp 7: Stärke dein Selbstbewusstsein

Bei allen Tipps ist es ratsam, dass du dein eigenes Selbstbewusstsein stärkst, um dann entsprechend zu reagieren. Das bedeutet, dass du dir deines Wertes bewusst wirst. Du bist wichtig und dass, was du willst und nicht willst, soll von anderen anerkannt werden. Du hast das verdient und du hast es nicht verdient, von anderen ausgenutzt und manipuliert zu werden. Deine Bedürfnisse zählen und du darfst und musst sogar Grenzen setzen. 

Ersetze selbstunsichere Gedanken durch selbstsichere:
Selbstunsicher: „Wenn ich nicht „Ja“ sage, wird der andere böse auf mich sein.“
Selbstsicher: „Möglicherweise wird der andere nicht darüber erfreut sein, aber das ist nicht mein Problem. Ist es denn so wichtig, dass mich der andere mag? Er wird mir bestimmt nicht ewig böse sein. Wenn er mich wirklich mag, dann wird ihm das auch nichts ausmachen.“

Selbstunsicher: „Lehne ich die Bitte ab, stehe ich als Egoist dar.“
Selbstsicher: „Ich habe ein gutes Recht, auch mal egoistisch zu sein.“


Ist es nicht schlecht, eine Bitte abzulehnen?

Das kann man weder bejahen noch richtig verneinen.
Es geht nicht darum, immer "Nein" zu sagen. Wichtig ist, dass du deine eigenen Bedürfnisse und Wünsche bewusst machst. Wenn die Bitten und Aufforderungen anderer diese verletzen oder einschränken, darfst du ruhig „Nein“ sagen. Deswegen ist es auch wichtig, Bedenkzeit einzufordern. So kannst du in Ruhe darüber nachdenken, um welche Bitte es sich handelt, wie wichtig sie ist und ob sie sich mit deiner momentanen Lage vereinbaren lässt. Kannst du es zeitlich und auch arbeitsmäßig packen. Magst du überhaupt der Bitte nachkommen? Erstelle am besten, wenn es geht, eine Liste mit Vorteilen und Nachteilen, je nachdem, ob du Ja oder nein sagst. Wo überwiegen die Vorteile? Mache dir klar, dass du nicht immer allen Bitten nachkommen musst. Du kannst Prioritäten setzen und Bitten ausschlagen, das ist dein gutes Recht.

Außerdem mache dir bewusst, weswegen du "Ja" sagst. Wenn du es gerne und freiwillig tust, um dem anderen eine Freude zu machen, ist es okay. Aber wenn du dich bedrängt oder nur verpflichtet fühlst, weil es sich bspw. so gehört, dann ist das kein guter Grund um Ja zu sagen. Du solltest dir überlegen, wer dich um etwas bittet und wie wichtig ihm sein Anliegen ist und außerdem inwiefern die Bitte mit deinen Zielen und Werten übereinstimmen. Natürlich überlegst du auch, worum es sich bei der Bitte handelt. All das wirkt sich auf deine Entscheidung aus, ob du die Bitte annimmst oder ablehnst

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